Freitag, 9. September 2011

Ein Rueckblick auf meine Zeit in Paraguay

Jetzt sind es drei Wochen, dass ich von zu Hause aufgebrochen und nach Suedamerika gekommen bin und drei volle Wochen in der Sprachenschule Idipar (www.idipar.edu.py). Da hat sich allerhand ereignet und auch manches eingespielt.
Anbei ein kurzer Rueckblick.

Als ich am Feitag hier ankam (Details siehe erster Bericht!) konnte ich mich mit meinen Gasteltern mehr oder weniger nur mit „Si – No – Gracias“ und jede Menge Hand-und-Fuss-Bewegungen unterhalten. Mitlerweile stopsle ich mich so durch den Tag. Nicht nur, dass mir (im wahrsten Sinne) die Worte fehlen – auch die Grammatik ist nicht gerade kompartibel mit der des Bairischen. Zudem musste ich bald feststellen, dass mein „Langenscheidt Spanisch“, den ich mir am Abreisevormittag noch gegoennt habe, nicht gerade der Beste ist. Eine umfangreichere Ausgabe waere um einiges hilfreicher. Ganz offensichtlich habe ich an der falschen Stelle geknausert....

Mittlerweile ist so etwas wie Normalitaet eingekehrt. Ich habe mich fast schon an die nichtdeutschen, umlautlosen Tastaturen gewohnt. Auch das Busfahren ist inzwischen Routine. Die Tage indess atmen Regelmaessigkeit. Gewoehnlich werde ich um fuenf Uhr morgens wach. Meist doese ich so vor mich hin, manchmal schlafe ich wieder ein. Scheinbar hat sich mein koerpereigener Biowecker immer noch nicht umgestellt!?! Spaetestens um viertel nach sechs stehe ich, gelgentlich unterstuetzt durch meinen batteriebetriebenen Wecker, auf. Um halb sieben sitze ich am Fruehstueckstisch. Wenn ich schnell genug bin, erwische ich den Colectivo um kurz vor sieben.
Prof. Rosa, Samy, Philipp und ich
Von acht bis zwoelf Uhr sitze ich in der Sprachschule. Um halb eins kommt der Colectivo und bringt mich wieder Heim. Dort komme ich so gegen halb zwei an und esse, oft mit einem Baerenhunger, zu Mittag. Darauf folgt eine mal mehr mal weniger intensive Siesta. Ab drei oder halb vier sitze ich an meinem Arbeitstisch.


Mein Nachmittags-Kaffee-Tisch
Um fuenf gibt es dann Kaffee mit meiner Gastmama. Fuenf Uhr ist auch die Zeit, zu der es hier in Paraguay langsam wieder dunkel wird. An warmen bzw. heissen Tagen bedeutet das, dass die Hitze weicht und man sich schlichtweg wieder aus dem Zimmer oder dem Haus wagen kann. Langsam beginnt nun das Nachtleben...

Nicht aber fuer mich. Nach dem Kaffee sitze ich wieder an meiner Arbeit. Je nach dem wie mein Gastpapa von der Arbeit kommt, er ist Selbstaendig und hat daher selbstaengige Arbeitszeiten, gibt es zwischen sieben und neun Uhr Abendessen. Oder besser: Nachtessen.

Abenddaemmerung. Es ist ca. 17.15 Uhr
Manchmal schaue ich anschliessend noch kurz ins Internet oder gehe gleich ins Bett. Bettruhe ist bei mir meist ab zehn Uhr. Schliesslich ist die Nacht um fuenf wieder vorbei.....

Das Wetter hat die vergangenen drei Woche alles geboten, was (ausser Schnee) moeglich ist. Nach einem kalten, windigen Ankunftswochenende und einem regnerischen ersten Schultag hatten wir oft weit ueber 25 Grad. Am vergangenen Sonntag hatten wir sehr schwuele 36 Grad. Von morgens bis abends nuuuuuur Sonne. In der Nacht dann kuehlen Wind und am Montagmorgen 16 Grad. Mal schlafe ich mit meinem Fleece-Schlafsack und zwei Decken darueber, mal nur mit einem Leintuch und einer leichten Tagesdecke. Man(n) muss halt flexibel sein.
In der Regel hat es hier tagsueber einen Temperaturunterschied von zehn Grad. Morgens gehe ich beispielsweise bei 17 Grad aus dem Haus, mittags hat es 26 bis 28 Grad. Dank des Windes sind die gefuehlten Temperaturen allerdings weitaus niedriger. Noch schwitze ich relativ wenig.

Einmal die Woche goenne ich mir einen Stadttag. Das bedeutet, ich fahre nach der Schule in die Stadt, schaue mir dort drei oder vier Stunden etwas an (Kirchen, Museen, etc.) und komme erst zum Kaffee oder bei Einbruch der Dunkelheit wieder nach Hause.
Gelegentlich versuche ich, Geld abzuheben. Das ist gar nicht so einfach.
So handlich koenne 2 Mio. sein ...
Hier in Paraguay werden so viele (Kredit-)Karten gestohlen, dass die Banken die Abhebesumme auf 600.000 Guaraníes beschraenkt haben. Das bedeutet, man bekommt pro Karte und pro Tag nur knapp 100 Euro. Es gibt Banken, die geben auf Kreditkarten bis zu 1,5 Mio Guaraníes, verlangen aber 25.000 Guaraníes (= 5 Euro) Aufpreis.
Wenn man nun groessere Summen braucht (z. B. 4 Mio. fuer Sprachschule und Gastfamilie), wird es echt interessant und/oder teuer.

Diese Woche ist meine letzte in Asunción/Paraguay. Langsam machen sich Abschiedsgedanken breit und die Weiterreise nach Buenos Aires/Argentinien will vorbereitet werden: Buss reservieren, Geld organisieren, ...

Mal sehn, was wird ...

Sonntag, 4. September 2011

El Colectivo oder: Busfahren paraguayanisch

Wie in meinem ersten Bericht schon kurz erwaehnt, muss ich auf das Thema Busfahren eigens eingehen. Es wuerde sonst jeden Blog-Eintrag sprengen. Hier nun meine bescheidenen Eindruecke!

Um in meine Sprachschule zu kommen, muss ich taeglich etwa 45 Min. mit dem Bus fahren und dann nochmal 8 oder 10 Min. zu Fuss um zwei Hausecken. Heim natuerlich das gleiche, nur in umgekehrter Reihenfolge.

Das Busfahren hier ist etwas ganz besonderes und mit unserem ausgefeilten Linien- und Abfahrtsplansystem in Deutschland kaum zu vergleichen.
Die Busse hier heissen schlicht „(El) Colectivo“ und bedeutet Sammelbus oder woertlich „(der) Sammler“. Und genau so funktioniert es auch.
Busplan gibt es eigentlich keinen, doch die Einheimischen wissen in der Regel genau, welcher Bus wo faehrt. Die Abfahrtszeiten (geschrieben gibt es sie nicht) sind Erfahrungswerte. Mein Bus an meiner Ecke z. B. faehrt taeglich kurz vor sieben vorbei. Mal kommt er um fuenfvor, mal um zehnvor. Einmal kommt er erst nach sieben und neulich kam er gar nicht. Es kann auch sein, dass er kommt und schon so voll ist, dass der letzte Gast eher wie ein Trittbrettfahrer aussen dranhaengt. Dann wartet man halt auf den naechsten. Der kommt eine halbe Stunde spaeter. Ungefaehr.

Die Busse selbst sind eine Schau. Was hier tagtaeglich von morgens bis abends im Einsatz ist, kennen wir Deutsche entweder aus dem Fahrzeugmuseum oder als Holz(model)bausatz fuer die Kinder. Alle moeglichen Modelle, zu 95 % Marke Mercedes, sind vertreten. Die Busse jeder Linie haben eine charakteristische Farbe. Meiner ist Linie 16 und ueberwiegend rot. Das heisse aber nicht, dass nicht noch andere Farben verwendet werden; eine ist halt dominant. Meine Linie 16 ist so zu sagen rot-bunt.
Der Zustand der Busse ist am Besten mit „funktional“ zu beschreiben. Ein Sitz (Modell „Gartenstuhl“ der 70er Jahre) fuer den Fahrer, Plastikhartschalensitze fuer die Gaeste (neuere haben auch Kunstledersitze!), unterm Dach links und rechts ein bis zwei Haltestangen fuer diejenigen, die stehen muessen. Der Boden ist meist aus pflegeleichtem Metall, die ganz alten Modelle haben sogar Vollholzboeden.
Blick ins Innere.
Am Colectivo selbst muss nicht viel funktionieren: Lenkung, Hupe, Gas und Bremse, Druckluftgenerator fuer die Hintertuer. Alles andere waere Luxus. Ist ein Fenster oder dessen Halterung kaputt, wird es kurzerhand zu- bzw. angeschweisst – Problem erledigt.

Der Preis betraegt einheitlich 2300 Guaranies, das sind etwas ueber 40 Cent.
Haltestellen gibt es fast keine. Man(n) braucht sie auch nicht. Da die Fahrstrecken ohnehin bekannt sind, stellt man sich einfach an den entsprechenden Strassenrand. Kommt der Bus, hebt man die Hand und winkt so den Colectivo herbei. Der haelt dann, man steigt ein, bezahlt und fertig.
Tageskarten oder aehnliches gibt es nicht. Immer wenn man in einen Colectivo einsteigt, bezahlt man. Dafuer kann man mitfahren so lange man moechte. Auch Rundfahrten bzw. Schleifen.
Hier ein "neueres" Modell.
Will man schliesslich doch aussteigen, gibt man entweder vorne am Ausstieg dem Busfahrer Bescheid oder klingelt (hinten). Dazu gibt es entweder einen Knopf ueber der Hintertuere oder eine Schnur, die einmal durch den Bus zum Fahrer fuehrt. Dort ist dann irgendwo die Klingel. Der Busfahrer haelt dann bei der naechstbesten Moeglichkeit. Das heisst schlichtweg, er legt nahezu eine Vollbremsung hin und, waehrend der Busfahrer den Fuss von der Bremse aufs Gaspedal hebt, springt man einfach raus. Dabei versucht man instinktiv, auf den Beinen zu landen. Nur bei Opis und Schickimickitanten bleibt er stehen, bis selbige mit beiden Beinen ausgestiegen sind.
Die Hintertuer. Einfach, massiv, funktional.
Als Fahrgaeste gesellen sich nahezu alle Gesellschaftsschichten zusammen: Da sind die Schueler aus den einfachen und gehobenen Schulen, die Studenten, die Hausfrauen, die gerade vom Einkauf kommen, die Angestellten, die ins Buero muessen, die Handwerker auf dem Weg zur Werkstatt oder zur Baustelle. Von der Schuluniform ueber Nadelstreifenanzug und Schickimickikostuemchen bis zu Schuerze und Latzhose – alles faehrt Colectivo.

Die Busfahrer werden offensichtlich nach gefahrenen Runden bezahlt. So versuchen sie logischerweise, moeglichst viele Runden zu schaffen. Dementsprechend ist auch der Fahrstil: Eine staendige Abfolge von Beschleunigung und Bremsen. Staendig ist man damit beschaeftigt, den Koerper im Gleichgewicht zu halten. Zimperlich darf hier keiner sein! Viele Strassen hier in Asuncion haben zur Verkehrsberuhigung stattliche Bodenwellen. Da muss der Fahrer erst mal scharf bremsen, um dann sofort wieder Gas zu geben. Sitzt man auf der letzten Bank, kann es (je nach Busmodel) schon mal passieren, dass man regelrecht ausgehoben wird. Es ist wie eine Fahrt in einer alten Achterbahn (fuer Bayern: wie im „Hupferl“). Nur ohne Ueberschlag. Und das taeglich zwei Mal. Fuer 40 Cent.